Betacarotin-Kapseln: Allenfalls geringfügiger Sonnenschutz

Stand:
Schöne Bräune und UV-Schutz durch Nahrungsergänzung? Die Wirkung von Betacarotin ist nicht belegt. Vor allem für Menschen, die rauchen, besteht Gesundheitsgefahr.
Sonnenschutz, Beta-Carotin

Das Wichtigste in Kürze:
Zu viel kann schaden

  • Nach Einschätzung des Bundesinstituts für Risikobewertung sollten Nahrungsergänzungsmittel  maximal 3,5 mg Betacarotin pro Tagesdosis enthalten.
  • Betacarotin und auch andere Carotinoide wie Lutein oder Astaxanthin können das Eincremen mit einem Sonnenschutzmittel mit geeignetem Lichtschutzfaktor nicht ersetzen.
  • Wenn Sie rauchen, steigt mit der erhöhten isolierten Verwendung von Betacarotin das Risiko an Lungenkrebs zu erkranken. Bis zu 15 mg Gesamtaufnahme (incl. Farbstoffe und Zusatzstoffe wie Antioxidantien) werden derzeit als sicher angesehen, auch wenn Sie viel rauchen.
  • Der Warnhinweis "Nicht für Raucher und zur langfristigen Einnahme gedacht" fehlt bei vielen dieser „Sonnen“-Produkte oder ist sehr viel schwächer formuliert.
  • Bei Kombi-Produkten, die weitere Carotinoide oder zusätzlich Vitamine bzw. Mineralstoffe enthalten, Zusammensetzung und Dosierung prüfen.
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Was steckt hinter der Werbung von Beta-Carotin-Kapseln?

Aussagen wie diese boomen zum Sommer hin wieder:

"Sie wünschen sich ein strahlendes Äußeres das ganze Jahr über oder möchten Ihre helle und sensible Haut auf die Sonneneinstrahlung vorbereiten? Unsere Nahrungsergänzungsmittel im Bereich Sonnenschutz bieten eine natürliche Antwort auf Ihre Ansprüche. Auf Basis von Vitaminen, Mineralstoffen, Aminosäuren und Carotinoiden tragen sie zum Schutz der Haut vor freien Radikalen durch Sonnenstrahlen bei und verleihen Ihrer Haut schon nach kurzer Zeit der täglichen Anwendung eine natürliche und anhaltende Bräune."

Hersteller von Betacarotin-Kapseln versprechen darüber hinaus "natürlichen Sonnenschutz von innen" oder „geschützt vor UV-Strahlen“.  Doch die Produkte, die im stationären Handel und im Internet als Nahrungsergänzungsmittel unter Bezeichnungen wie etwa "Sonnen-Vitamine", "Hautschutzkapseln", "Magic Sun", "Bräunungskapseln" oder "Sonnen-Brause" angeboten werden, bieten keinen umfassenden Schutz vor schädlichen UV-Strahlen. Sie können das Eincremen mit einem Sonnenschutzmittel mit geeignetem Lichtschutzfaktor nicht ersetzen, sondern allenfalls ergänzen. Lassen Sie sich auch nicht von angeblichen Erfahrungsberichten oder Käuferbewertungen wie "seitdem nie mehr Sonnenbrand gehabt" oder "bekomme keinen Sonnenbrand mehr" verführen.

Dass die Haut durch die Aufnahme von Betacarotin einen wirksamen natürlichen Schutzschirm gegen eine schädliche UV-Sonneneinstrahlung aufbaut, ist wissenschaftlich nicht ausreichend erwiesen. Bei den wenigen, kleinen Studien, die einen positiven Nutzen zeigen konnten, war eine mindestens 10-wöchige Einnahme von mehr als 20 Milligramm Beta-Carotin pro Tag notwendig - aus Gesundheitssicht deutlich zu viel (empfohlen max. 3,5 mg/Tag).

Nach den Erkenntnissen der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA bietet Beta-Carotin der Haut keinen Schutz vor UV-Strahlung/Sonne. Sie bewertet den Hersteller-Antrag, mit Sonnenschutz-Argumenten (Health Claim) werben zu dürfen, als wissenschaftlich nicht begründet. Die EU hat den Antrag daher abgelehnt, solche Aussagen sind in der Werbung also (eigentlich) verboten. Leider fehlt es hier an der Überwachung bzw. der Rechtsdurchsetzung.

Auch mit einer Kombination aus den Carotinoiden Lykopin und Lutein sowie Vitamin E und Selen stellte sich der verheißene Erfolg nicht ein. Die EFSA konnte weder eine bessere Verträglichkeit der Haut gegenüber Sonneneinstrahlung, noch eine Aktivierung des Bräunungsvorgangs erkennen. Die EU hat deshalb auch diese Anträge abgelehnt, eine Werbung mit „Sonnenschutz“ ist für diese Wirkstoff-Kombination ebenfalls verboten. Vermehrt wird inzwischen auch der orangefarbene Algenfarbstoff Astaxanthin eingesetzt - aber auch für diesen Stoff konnte laut EFSA kein Nachweis für einen UV-Schutz der Haut erbracht werden.

Der häufig stattdessen angepriesene "Hautschutz" beruht auf zugelassenen gesundheitsbezogenen Aussagen z.B. für den zugesetzten Mineralstoff Zink. Diesen lauten offiziell "Zink trägt dazu bei, die Zellen vor oxidativem Stress zu schützen" sowie "Zink trägt zur Erhaltung normaler Haut bei". Mit einem Schutz vor Sonnenbrand hat das allerdings nichts zu tun.

Andere Produkte werden dafür mit Kupfer (schützt Zellen vor oxidativem Stress), Selen, Pantothensäure oder Biotin oder Antioxidantien angereichert.

Was mit Carotin-Kapseln (oder reichlich Möhrensaft) gelingen kann, ist dem Teint eine orange-bräunliche Färbung zu verpassen, ein bisschen so, wie man es von "Möhren-Babys" kennt. Nahrungsergänzungsmittel aus dem kosmetischen Bereich mit Betacarotin (und anderen Carotinoiden) werden daher häufig auch als Selbstbräuner-Kapseln bezeichnet. Betacarotin wird oft in kosmetischen Sonnencremes und -lotionen eingesetzt.

Auf was sollte ich bei der Verwendung von Betacarotin achten?

Bei Sonnenhunger sollten Sie vor dem Griff zu Betacarotin-Produkten folgende Hinweise beachten:

  • Versorgung fast zu hoch: Nach Einschätzung des Bundesinstituts für Risikobewertung aus 2021 ist die Versorgungslage mit zugesetztem Betacarotin aufgrund der Vielzahl angereicherter Lebensmittel recht hoch, so dass eine maximale Tagesdosis von 3,5 mg/Tag in Nahrungsergänzungsmitteln empfohlen wird. Feste mit Betacarotin angereicherte Lebensmittel sollten nicht mehr als 1,7 mg/100 g enthalten, für Getränke empfiehlt das BfR eine Höchstmenge von 0,45 mg isoliertem Betacarotin pro 100 Milliliter (egal ob natürlich oder synthetisch). Diese Mengen sind aber rechtlich nicht bindend. Zu den mit Betacarotin (Pro-Vitamin A, E 160) angereicherten oder gefärbten Lebensmitteln zählen vor allem Getränke, Süßwaren, Eiscreme, Milchprodukte und Frühstückscerealien).  Eine tägliche Gesamtaufnahme von bis zu 15 mg Betacarotin aus allen Quellen (natürlich aus Lebensmitteln, mit Farbstoffen und Zusatzstoffen z.B. Antioxidantien, aus Nahrungsergänzungsmitteln) gilt für alle als sicher.
     
  • Die EFSA schätzt, dass über den Farbstoff (E 160a) durchschnittlich 1-2 mg Betacarotin pro Tag aufgenommen werden. Allerdings ist davon auszugehen, dass Hochverzehrer von verarbeiteten Lebensmitteln die Höchstmenge von 15 mg allein durch Fruchtsäfte bzw. -nektare ausschöpfen. Wenn Sie zu dieser Personengruppe gehören und vielleicht auch noch rauchen, sollten Sie auf Betacarotin als Nahrungsergänzungsmittel verzichten.
     
  • Für Nahrungsergänzungsmittel wird für Menschen ab 15 Jahren vom Bundesinstitut für Risikobewertung eine Tageshöchstmenge von 3,5 mg empfohlen.
     
  • Natürlich vorhandenes Betacarotin in Möhren, Paprika oder Aprikosen  (s. Kasten) ist kein Problem.
     
  • Bei Kombi-Produkten: Für Astaxanthin in Nahrungsergänzungsmitteln wurde eine sichere Tageshöchstmenge von max. 8 mg ermittelt.  Die tägliche Gesamtaufnahme von Lykopin (aus allen Nahrungsquellen) soll laut EFSA nicht mehr als 0,5 mg pro Kilogramm Körpergewicht betragen. Für Lutein gibt es bisher keine Mengenempfehlungen. Für die Sicherheit der Produkte ist alleine der Hersteller verantwortlich. Werden weitere Vitamine oder Mineralstoffe zugesetzt, sollten die jeweiligen Höchstmengenempfehlungen des Bundesinstituts für Risikobewertung nicht überschritten werden.
     
  • Geringer Sonnenschutz: Betacarotin Produkte können das Eincremen mit einem Sonnenschutzmittel mit geeignetem Lichtschutzfaktor nicht ersetzen, sondern allenfalls ergänzen.
     
  • Schädlich für Rauchende: In Studien wurde bei rauchenden Personen im Zusammenhang mit der Einnahme von Betacarotin ein Anstieg der Lungenkrebsrate sowie erhöhte Risiken bei bestehender Herz-Kreislauf-Problematik festgestellt. Die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde geht aber davon aus, dass bis zu 15 mg Betacarotin pro Tag (zugesetzt aus Nahrungsergänzung plus Anreicherung plus Farbstoff) auch für stark Rauchende sicher sind. Ob eine erhöhte Zufuhr auch für Nichtraucher:innen oder andere mögliche Risikogruppen, wie zum Beispiel Asthmatiker, ein Risiko darstellt, ist bislang nicht ausreichend erforscht. Betacarotin haltige Lebensmittel (s. roten Kasten) gelten weiterhin für alle als unbedenklich.
     
  • Fehlende Warnhinweise: Nahrungsergänzungsmittelhersteller hatten sich bereits 2001 verpflichtet, Rauchende ab einer Tagesdosis von mehr als 4,8 mg Betacarotin auf ihren Produkten deutlich vor einer Einnahme zu warnen. Klare Warnungen wie "Nicht für Raucher und zur langfristigen Einnahme gedacht" fehlen auch mehr als zwei Jahrzehnte später entweder ganz oder klingen weich gespült „starke Raucher sollten hohe Mengen meiden“. Ebenso weisen längst nicht alle Hersteller auf den Verpackungen auf die Notwendigkeit hin, zusätzlich zu den Beta-Carotin-Kapseln noch eine Sonnencreme zu verwenden.

Betacarotin ist in vielen Obst- und Gemüsesorten wie zum Beispiel Möhren, grünem Blattgemüse wie Spinat, Feldsalat, Endivien oder Grünkohl, Wassermelonen und Aprikosen enthalten. Diese schmecken nicht nur lecker, sondern enthalten neben Betacarotin wertvolle Ballaststoffe, sekundäre Pflanzenstoffe, Vitamine und Mineralstoffe – ein natürlicher Nährstoffverbund (Matrix) mit Synergie-Effekten.

Was ist Beta-Carotin?

Betacarotin zählt zu den sekundären Pflanzenstoffen und findet sich zum Schutz vor photo-oxidativen Prozessen in allen Pflanzen, die dem Licht ausgesetzt sind. Für den Menschen sind Gemüse und Obst die wichtigsten Betacarotin-Quellen. Hohe Konzentrationen finden sich zum Beispiel in Möhren, Spinat und Aprikosen. Durch Zerkleinern, Erhitzen und die Zugabe von Fett kann der Körper das Beta-Carotin noch besser verwenden. Auch verschiedenen Fertigprodukten, wie zum Beispiel ACE-Getränken oder Süßwaren, wird isoliertes Beta-Carotin zur Vitaminanreicherung oder als Farbstoff E 160 hinzugefügt.

Betacarotin kann im Körper zu Vitamin A umgewandelt werden. Deswegen wird es auch Provitamin A genannt. Zusätzlich spielt die antioxidative Wirkung eine Rolle. Durch die Zufuhr von Betacarotin erhöht sich dessen Gehalt in der Haut und führt zu einer braun-orangenen Tönung.

Provitamin-A-Carotinoide sind nicht essenziell. Insbesondere bei überwiegend vegetarischer bzw. veganer Ernährung sind sie aber für die Aufrechterhaltung eines adäquaten Vitamin-A-Status wegen des Wegfalls tierischer Vitamin-A-Quellen von erheblicher Bedeutung.

Die Wirksamkeit wird heute gemessen in Retinolaktivitätsäquivalenten (RAE, retinol activity equivalent), früher wurden Retinoläquivalente (RE, retinol equivalent) verwendet.

1 μg RAE = 1 μg Retinol = 12 μg β-Carotin = 24 μg andere Provitamin-A-Carotinoide

1 μg RE = 1 μg Retinol = 6 μg β-Carotin = 12 μg andere Provitamin-A-Carotinoide

 

Zum Weiterlesen:

Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: UV-Strahlung und UV-Schutz

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) / gesundheitsinformation.de: Wie viel Sonne ist zu viel? Stand: 24.05.2022

Sonnencreme: Worauf Sie achten sollten


Zum Anschauen:

Bundesinstitut für Risikobewertung (Juli 2022): Ob Nährstoffpillen wirklich helfen: Beta-Carotin, YouTube
 

Quellen:


EFSA: Scientific Opinion on the substantiation of health claims related to beta carotene and physiological immune responses of the skin in relation to UV radiation (sun exposure) (ID 198, 1463) pursuant to Article 13(1) of Regulation (EC) No 1924/2006

EFSA: Verordnung (EU) Nr. 1066/2013 der Kommission vom 30. Oktober 2013 zur Nichtzulassung bestimmter gesundheitsbezogener Angaben über Lebensmittel als Angaben über die Reduzierung eines Krankheitsrisikos sowie die Entwicklung und Gesundheit von Kindern

EFSA: Scientific Opinion on the substantiation of health claims related to astaxanthin and protection of the skin from UV-induced damage (ID 1687, 1979). EFSA Journal 2011; 9(6): 2206

Hahn A.: Nahrungsergänzungsmittel und ergänzende bilanzierte Diäten. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 2. Auflage, 2006

BfR (2021): Aktualisierte Höchstmengenvorschläge für Vitamine und Mineralstoffe in Nahrungsergänzungsmitteln und angereicherten Lebensmitteln. Stellungnahme Nr. 009/2021 vom 15.03.2021 (abgerufen am 13.06.2023)

EFSA (2012): Statement on the safety of β-carotene use in heavy smokers. EFSA Journal 10 (12): 2953

BfR: 7. Sitzung der BfR-Kommission für Ernährung, diätetische Produkte, neuartige Lebensmittel und Allergien Protokoll der Sitzung vom 11. Juni 2015

Lebensmittelverband Deutschland: Supplementierung mit Beta-Carotin in Deutschland. Stand: 20.06.2001 (abgerufen am 13.06.2023)

Beta-Carotin in Nahrungsergänzungsmitteln. Stellungnahme Nr. 019/2005 des BfR vom 08.03.2005, ergänzt am 21.01.2013 (abgerufen am 13.06.2023)

D-A-CH-Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr, 2. Auflage, 7. aktualisierte Ausgabe 2021 (abgerufen am 13.06.2023)

DGE: Ausgewählte Fragen und Antworten  zu Vitamin A. Stand: November 2020 (abgerufen am 13.06.2023)

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