Acai - die brasilianische Wunderbeere?

Stand:
Versprochene Wirkungen zu Acai sind nicht bewiesen, gesundheitliche Risiken nicht auszuschließen.
Acai

Das Wichtigste in Kürze:
Wirkung nicht bewiesen!

  • Acai-Beeren werden mit "hohem Gehalt an Antioxidatien" angepriesen, dabei stehen ihnen heimische Früchte und Gemüse in nichts nach.
  • Sie werden als Saft, Pulver oder Kapseln oft zu übertriebenen Preisen angeboten.
  • Acai-Produkte sind teils mit Mineralölrückständen belastet, die Ihre Gesundheit gefährden können.
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Was steckt hinter der Werbung zu Acai-haltigen Nahrungsergänzungsmitteln?

In der Werbung sprechen Firmen gern von der "brasilianischen Wunderbeere" mit einer schier unglaublichen Konzentration an Antioxidantien und lebenswichtigen Fettsäuren. Antioxidantien (z.B. Vitamine und bestimmte sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe) tragen dazu bei, im Körper die so genannten freien Radikale unschädlich zu machen. Daneben soll die Acai-Beere "entzündungshemmendes Potenzial" besitzen und so das Risiko für etliche Krankheiten wie z.B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs reduzieren. Acai-Produkte werden zudem häufig angepriesen die Gewichtsabnahme zu unterstützen, die Energie und Vitalität zu steigern und das Immunsystem zu stärken.

Antioxidantien (wie Vitamin C und E oder Anthocyane) tragen dazu bei, die Kettenreaktion freier Radikale, genauer „reaktive Sauerstoffspezies“ (RSV), zu unterbrechen und den oxidativen Stress in körpereigene Zellen zu senken. Das Vorkommen von ROS in Verbindung mit vielen verschiedenen Krankheitsbildern wie Krebs, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, führte zu der Annahme, dass Antioxidantien der Entstehung dieser Krankheiten entgegenwirken. Klinische Studien konnten dies nicht bestätigten. Darüber hinaus wurde außer Acht gelassen, dass RSV für essenzielle Stoffwechselvorgänge wie Signalübertragungen im Gehirn, die Hormonsynthese oder Immunantwort gezielt gebildet werden und daher eine wichtige, trainierende und somit schützende Funktion einnehmen. Nach heutiger Auffassung werden ROS in niedriger also physiologischer Konzentration als gesundheitsfördernd angesehen. Währenddessen sie in hoher d. h. pathologischer Konzentration zur Entstehung von Krankheiten beitragen sollen.

Für die behauptete entzündungshemmende Wirkung der Acai-Beere gibt es ebenfalls keine belastbaren klinischen Studien. Zudem können sich die in den Nahrungsergänzungsmitteln enthaltenen Extrakte oder Pulver aufgrund unterschiedlicher Herstellungsmethoden z. T. deutlich voneinander unterscheiden. So sind Extrakt A und Extrakt B hinsichtlich Zusammensetzung und Wirkung kaum miteinander zu vergleichen. Folgerichtig sind auch keine gesundheitsbezogenen Aussagen für die obigen Behauptungen in Bezug auf Acai-Beeren oder Anthocyane im Sinne der Health Claims Verordnung (VO (EG) 1924/2006) zugelassen.

Hinzu kommt: In Acai-Beeren stecken nicht mehr Antioxidantien als in heimischem Obst und Gemüse. Der Gehalt an Anthocyanen wird beispielsweise von Holunder, schwarzen Johannisbeeren und Rotkohl deutlich übertroffen. Und im Gegensatz zu hoch konzentrierten Extrakten ist eine Überdosierung mit Obst und Gemüse in natürlicher Form unmöglich.

Worauf sollte ich bei der Verwendung von Acai-Produkten achten?

Acai-Beeren können hohe Mengen an Mangan enthalten. So wurden in Studien durchschnittliche Gehalte von bis zu 450 mg Mangan pro Kilogramm Acai-Fruchtmark festgestellt.  Mangan ist einerseits ein essentielles Spurenelement und kann auf der anderen Seite, aber in hohen Dosen neurotoxisch wirken.

Im Körper ist der Mineralstoff vor allem Bestandteil von Enzymen. Es hilft so, den Energiestoffwechsel der Zelle zu sichern und spielt eine wichtige Rolle für den Aufbau von Bindegewebe, Knorpeln und Knochen. In hohen Dosen kann es Nervenschäden verursachen und sich dadurch negativ auf die Atemwege und das Gehirn (ähnlich Morbus Parkinson) auswirken.  Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) beziffert den Schätzwert für eine angemessene Zufuhr für Mangan auf 2-5 mg/Tag für über 15-Jährige und 1-1,5 mg/Tag für 7-11 Jährige.  Ergebnisse einer Studie zur Ernährungslage in Deutschland zeigen, dass die durchschnittliche Manganaufnahme der Bevölkerung (14-80 Jahre, 70 kg) in etwa 2,8 mg/Tag beträgt. Aus ernährungsphysiologischer Sicht ist das Interesse an Mangan demnach eher gering. Der Fokus liegt heute mehr auf möglichen toxikologischen Wirkungen.

So kann sich eine deutlich erhöhte Manganzufuhr negativ auf die Aufnahme von Eisen, insbesondere bei Kindern, Vegetariern und Menschen mit einem Eisenmangel, auswirken. Zudem gibt es Hinweise, dass hohe Mangandosen die antioxidativen Eigenschaften der Anthocyane vermindern.

Neben Acai-Beeren zählen auch Getreide, Reis und Nüsse zu Mangan-reichen Lebensmitteln. Zur Gesamtaufnahme von Mangan trägt eine kleine Menge frischer Acai-Beeren sicherlich nur zu einem geringen Teil bei. Im Falle von hoch dosierten Nahrungsergänzungsmittel oder Getränken auf Basis von Fruchtpürees oder -pulvern kann die empfohlene Tageshöchstmenge jedoch schnell überschritten werden.

Können Acai-Produkte mit Schadstoffen belastet sein?

Acai-Extrakte oder -pulver können stark erhöhte Gehalte an Mineralölkohlenwasserstoffe aufweisen.  Diese bestehen aus verschiedenen Fraktionen und werden nach ihrer chemischen Struktur unterschieden.

Zunächst gibt es die gesättigten (MOSH, „mineral oil saturated hydrocarbons“) und aromatischen Kohlenwasserstoffen (MOAH, „mineral oil aromatic hydrocarbons“), deren Eintrag auf Erntemaschinen, Trocknungsanlagen oder Produktionsanlagen zurückzuführen sein könnte. Je nach Größe werden gesättigte Kohlenwasserstoffe (MOSH) vom Körper aufgenommen und können in menschlichen Organen nachgewiesen werden. Aus tierexperimentellen Studien ist bekannt, dass MOSH zu Ablagerungen und Schäden in Leber, Herz und Lymphknoten führen. Daher werden einige Fraktionen von der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) als besorgniserregend eingestuft.

Aufgrund der Vielzahl möglicher MOAH Verbindungen ist eine abschließende toxikologische Bewertung dieser Verbindungsklasse aktuell nicht möglich. Laut des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) ist bei MOAH nicht auszuschließen, dass sich in dieser Fraktion kanzerogene Substanzen befinden. Das BfR stuft diese daher als in Lebensmitteln unerwünscht ein und fordert für MOAH die größtmögliche Minimierung gemäß dem ALARA-Prinzip (As Low As Reasonably Achievable“, deutsch: so niedrig wie vernünftigerweise erreichbar).

Neben MOSH und MOAH können in Lebensmitteln auch aus Kunststoffen (Polyolefinen) stammende Verbindungen, sogenannte POSH („polyolefin oligomeric saturated hydrocarbons“) enthalten sein. Werden solche Materialien als Verpackung oder zur Aufbewahrung von Lebensmitteln verwendet, können POSH auf die Lebensmittel übergehen.

Was sind Acai-Beeren?

Acai-Beeren sind die Früchte der Kohlpalme (Euterpe oleracea), auch Jucara-, Assai-Palme oder Açaí genannt, die vor allem am unteren Amazonas wächst. Neben den Früchten werden auch die Palmherzen verzehrt. Die Früchte sind 1-1,4 cm groß, zunächst rötlich und sehr glänzend. Im richtigen Erntestadium ("turia") haben sie eine feine purpurrote - bei Vollreife fast schwarze - Haut mit einer dünnen Wachsschicht. In dieser Phase ist der Gehalt an den farbgebenden Anthocyanen (Antioxidantien) am höchsten.

Der Geschmack der Beeren und des Saftes gilt als fettig, erdig und adstringierend (zusammenziehendes Mundgefühl). Gesüßt mit Guarana-Sirup soll der Saft kakaoähnlich schmecken. Für die angebotenen Produkte wird in der Regel mit Wasser verdünntes Fruchtmark (Pulpe) unterschiedlichster Qualität verwendet. Außer Saft werden auch gefriergetrocknetes Pulver und Kapseln angeboten.

Welche Inhaltsstoffe sind in Acai-Beeren enthalten?

Acai-Beeren bestehen zu fast 50 % aus Fett und sind daher mit 250 kcal pro 100 g recht kalorienreich. Die mittlere Pulpe (Medium Acai) weist noch 5 bis 8 % Fett auf. Dafür ist der Zuckeranteil im Beerensaft mit 3,6 % gering. Damit ähnelt die Nährstoffzusammensetzung ein wenig die der Olive. Daneben enthält die Acai-Beere reichlich Mineralstoffe wie beispielsweise Calcium und Mangan.

Den Ruf als Wunderbeere verdankt die Acai-Beere jedoch in erster Linie ihrem hohen Anthocyan-Gehalt (dunkelroter Pflanzenfarbstoff) sowie der antioxidativen Wirkung, die man den Anthocyanen zuschreibt. Über handelsübliche Acai-Produkte wird jedoch unter Berücksichtigung der empfohlenen Tagesverzehrsmenge in den meisten Fällen keine ernährungsphysiologisch relevante Menge an Anthocyanen aufgenommen.

Heimisches Obst und Gemüse enthält zum Teil deutlich mehr Antioxidantien. Warum sollten Sie also Acai-Produkte und unbekannte gesundheitlichen Risiken in Kauf nehmen, wenn Heidelbeeren, Schwarze Johannisbeeren, Rotkohl etc. genauso gut und oft günstiger sind?
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