„Shrinkflation“: So mogeln Hersteller bei den Verpackungen

Stand:
Viele Lebensmittel sind im Handel unauffällig teurer geworden – durch geringere Füllmengen oder Qualitätseinbußen bei den Zutaten. Wo die Hersteller besonders mogeln und wie Verbraucher:innen die Tricks entlarven können.
Chipstüte wird mit Luft aufgeblasen und wirkt dadurch größer bei weniger Inhalt

Das Wichtigste in Kürze:

  • Hersteller und Händler versuchen mithilfe von Mogelpackungen Preiserhöhungen zu kaschieren.
  • Verbraucher:innen können Mogelpackungen, die ihnen auffallen, bei den Verbraucherzentralen melden. Anhand der Mogelpackungsliste sehen sie auch, welche Produkte den Preis versteckt erhöht haben.
  • Achtung bei neuen Verpackungen von Produkten! Hinweise zu neuer Größe oder Rezeptur deuten oft auf „Shrinkflation“ hin.
  • Ein Vergleich von Grundpreisen ist immer sinnvoll – auch bei Produkten, die man aus Gewohnheit nachkauft.
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Die Lebensmittelpreise sind in den Jahren 2022 und 2023 insgesamt deutlich gestiegen. Die Inflationsrate für Lebensmittel betrug im August 2023 9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Einige Hersteller erhöhen ihre Preise allerdings nicht offen. Stattdessen setzen sie auf das Konzept der „Shrinkflation“.

Was ist „Shrinkflation“?

Der Begriff „Shrinkflation“ besteht aus dem englischen Wort „shrink“ für „schrumpfen“ und "Inflation". Vielen dürfte das Phänomen unter dem Begriff „Mogelpackung“ geläufiger sein. Dabei handelt es sich um eine versteckte Preiserhöhung: Viele Verbraucher:innen reagieren sensibel auf steigende Preise in Discounter und Supermarkt. Eine reduzierte Packungsmenge bei gleichbleibendem Preis fällt dagegen selten direkt auf. Darum meiden viele Hersteller sofort sichtbare Preiserhöhungen im Supermarktregal und verringern stattdessen die Füllmenge – bei gleichbleibender Verpackungsgröße. Dadurch steigt der Kilopreis für die Ware. Händler und Hersteller erzielen höhere Einnahmen, ohne die Kund:innen zu verschrecken – diesen ist die Teuerung oft gar nicht bewusst.

Was ist „Skimpflation“?

Neben der „Shrinkflation“ tricksen Hersteller und Händler mit einer noch unauffälligeren Methode: Der „Skimpflation“. Das englische „skimp“ bedeutet deutsch „knausern“. Dabei senken sie nicht (nur) die Menge, sondern auch die Qualität des Produkts, indem sie einzelne Zutaten durch minderwertigere ersetzen. So tauschen Hersteller zum Beispiel Sonnenblumenöl durch Palmöl aus oder erhöhen den Wasseranteil beim Tiefkühlspinat sowie bei der Apfelschorle. Mit dieser Methode sparen Unternehmen allerdings weniger als bei der „Shrinkflation“. Dafür fallen die Tricksereien auch weniger auf, da kaum jemand die Zutatenliste so genau vergleicht.

Wer steckt hinter den Mogelpackungen?

Egal ob „Shrinkflation“ oder „Skimpflation“: Die Verbraucherzentrale Hamburg sammelt Beschwerden und führt eine Liste von Mogelpackungen. Im ersten Halbjahr 2023 ist die Zahl der Verbraucher:innenbeschwerden dabei deutlich gestiegen. Oft sind die betroffenen Produkte durch die reduzierte Füllmenge um 20 Prozent teurer geworden, manche sogar um mehr als 75 Prozent. Betroffen waren dabei lange Zeit besonders etablierte Herstellermarken. Diese Zeiten scheinen allerdings vorbei zu sein: „Shrinkflation“ ließ sich in der Vergangenheit zunehmend auch bei Discounter-Eigenmarken beobachten.

Auch Eigenmarken der Händler betroffen

Bis 2022 waren nur wenige Handelsmarken in der Mogelpackungs-Liste der Verbraucherzentralen vertreten. Im vergangenen Jahr stieg der Anteil jedoch zunehmend, bis No-Name-Produkte die Liste irgendwann dominierten. Der Einzelhandel nimmt sogar immer wieder doppelte Preiserhöhungen vor. Heißt: Die Supermärkte und Discounter betreiben bei manchen Produkten nicht nur „Shrinkflation“, sie erhöhen auch gleichzeitig den Preis. Dabei greifen Verbraucher:innen in Krisenzeiten aufgrund der gestiegenen Preise häufiger zu Eigenmarken. Die Tricks der Händler bemerken sie oft gar nicht.

Wo finden sich Mogelpackungen im Supermarkt?

Besonders häufig sind verpackte, industriell gefertigte Lebensmittel und Produkte des täglichen Bedarfs betroffen. Eine Häufung von „Shrinkflation“ haben die Verbraucherzentralen bei folgenden Produktkategorien bemerkt:

  • Snacks, vor allem Chips,
  • Süßwaren wie Schokolade und Eis,
  • Käse,
  • Tiefkühllebensmittel wie Fisch oder Fertignahrung,
  • Waschmittel, Duschgel und andere Drogerieprodukte.

Ein paar Beispiele aus der Mogelpackungsliste:

So sind in einer Packung der Mundspülung Listerine (Konzern: Johnson & Johnson) bei Edeka beispielsweise für den gleichen Preis nur noch 500 statt 600 Milliliter enthalten. Das entspricht einer Preissteigerung von 20 Prozent. Manche Händler haben außerdem noch den Preis für die geschrumpfte Menge erhöht, wie etwa Kaufland. Für eine Flasche der sogenannten Premium-Variante Listerine Total Care zahlen Kund:innen dort jetzt 33,5 Prozent mehr.

Zentis hat für die Nussnougatcreme „Belmandel“ den Preis von 2,19 auf 2,89 Euro erhöht. Statt 400 Gramm sind allerdings nur noch 300 Gramm drin. Eine doppelte Preiserhöhung: Insgesamt um 76 Prozent.

Bei den Tortilla-Chips der Marke „Chio“ des Herstellers Intersnack Group sind statt 125 Gramm für den gleichen Preis nur noch 110 Gramm drin – eine Teuerung von 14 Prozent.

Nachhaltigkeit und Mogelpackungen

„Shrimpflation“ ist nicht nur ärgerlich für Kund:innen, sondern auch schlecht für die Umwelt. Luftpackungen sind nämlich eine wahre Ressourcenverschwendung. Beispiel Margarine: So hat der Hersteller Upfield die Verpackungsmenge sowohl bei Rama als auch bei Sanella von 500 auf 400 Gramm reduziert, bei gleicher Packungsgröße. Für 1.000 Tonnen Margarine verbraucht der Hersteller damit eine halbe Million mehr Becher als vorher.

Ist die „Shrinkflation“ gesetzeskonform?

Es gibt zwar Gesetze gegen die Täuschung von Verbraucher:innen in Deutschland. Irreführende Informationen oder täuschend große Verpackungen sind laut § 43 Abs. 2 Mess- und Eichgesetz verboten. Doch die Gesetzeslage für schrumpfende Packungsmengen ist oft eher schwammig formuliert und Auslegungssache. Rechtlich gesehen darf beispielsweise erst von Mogelpackung die Rede sein, wenn mehr als 30 Prozent Luft in der Verpackung ist. Allerdings liegt die Rechtsprechung oft im Ermessen der jeweiligen Richter:innen.

Darauf können Sie bei „Shrinkflation“ achten

  • Achtung bei Verpackungshinweisen wie „New Size“ bzw. „Neue Größe“ oder „neue Rezeptur“. Oft ist die Neuauflage nur eine Beschönigung für Shrinkflation oder Skimpflation.
  • Vor allem bei Produkten mit vermeintlichen Standardgrößen genau hinschauen. Nicht in jeder Schokoladen-Verpackung sind 100 Gramm, manche Tafeln wiegen in der neuen Variante nur noch 80 Gramm. Standardgrößen etwa für Schokolade oder Milch hat die EU 2009 aufgehoben.
  • Grundpreis vergleichen: Auf Preisschildern im Handel müssen Verbraucher:innen eigentlich immer den Grundpreis eines Produkts pro Liter oder Kilo finden. Diesen können sie als Vergleichswert nehmen, um das günstigste Produkt ausfindig zu machen. Aber bei „Shrinkflation“ hilft der Grundpreis in der Regel nicht weiter, weil das alte Produkt nicht mehr im Regal steht. Der Grundpreis muss verpflichtend angegeben werden. Achtung: Trotz der Pflicht fehlt der Grundpreis leider manchmal oder er ist falsch berechnet.
  • Luft in der Verpackung: Wer bemerkt, dass sich die Füllmenge einer Verpackung reduziert hat, sollte aufmerksam werden und nach Möglichkeit vergleichen. Verbraucher:innen können solche Fälle den Verbraucherzentralen melden.
  • Listen checken: Die Verbraucherzentrale Hamburg veröffentlicht eine Mogelpackungs-Liste, die sie regelmäßig aktualisiert. Dort können Verbraucher:innen aktuell betroffene Produkte ansehen.

Mogelpackung melden

Wenn Sie eine Mogelpackung bemerken, können Sie diese den Verbraucherzentralen melden. Auch Stiftung Warentest nimmt Meldungen von „Shrinkflation“-Fällen auf und geht diesen nach.

Das kann die Politik tun

Insgesamt können Verbaucher:innen wenig gegen die „Shrinkflation“ tun. Um solche Veränderungen bei Produkten zu bemerken, müssten Sie Füllmenge und Grundpreis stets im Kopf haben – das ist in der Praxis selten der Fall. Gerade der Lebensmitteleinkauf läuft oft in Gewohnheiten und ohne langes Studium des Kleingedruckten ab. Treue Markenkund:innen kaufen oft einfach ihre gewohnten Produkte. Bei gerichtlichen Auseinandersetzungen gehen Richter:innen allerdings abseits dieser Einkaufs-Realität von mündigen Verbraucher:innen aus, denen solche Veränderungen auffallen sollten. Daher sollte muss die Gesetzeslage eindeutiger werden, um Verbraucher:innen besser vor „Shrinkflation“ zu schützen. Dazu braucht es mehr Transparenz und klarere Auflagen.

Diese Vorgaben fordern die Verbraucherzentralen im Kampf gegen Mogelpackungen

  • Vorgaben zu Füllmengen wären sinnvoll, um Luftverpackungen zu vermeiden. Viele Verpackungen sind nur zur Hälfte gefüllt, obwohl das nicht immer technisch bedingt ist.
  • Verbraucher:innen wäre außerdem geholfen, wenn Hersteller und Händler Veränderungen im Grundpreis besser kenntlich machen müssten.
  • Auch geänderte Inhaltsmengen müssten eindeutig auf den Verpackungen kennzeichnungspflichtig sein. Das ist etwa in Brasilien bereits der Fall: Dort muss die alte und die neue Füllmenge sowie die prozentuale Reduzierung draufstehen. Auch Frankreich will Vorgaben einführen, die Hersteller verpflichtet geringeren Inhalt kenntlich zu machen.

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