Als erstes Land will Deutschland nun per Gesetz das Töten von männlichen Eintagsküken verbieten. Einen Gesetzesentwurf des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft hat das Bundeskabinett am 20. Januar 2021 verabschiedet. Wird er wie vorgesehen umgesetzt, darf ab dem 1. Januar 2022 kein Eintagsküken mehr wegen seines Geschlechts getötet werden. Das Geschlecht soll dann in allen Brütereien bereits im Ei bestimmt werden (siehe unten). Darüber hinaus sieht der Gesetzesentwurf vor, dass ab dem 1. Januar 2024 kein Hühnerembryo nach dem 6. Brütungstag getötet werden darf.
Friedrich-Otto Ripke, Präsident des Zentralverbands der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG) kritisiert das Gesetz "als nationale Alleingang der Bundesregierung", der Wettbewerbsnachteile für die deutsche Geflügelwirtschaft bringe. Denn innerhalb der EU würden weiter Eier aus Brütereien verkehren, die männliche Küken am ersten Lebenstag töten.
Überblick über Initiativen, die die Brüder der Legehennen aufziehen
Wer Eier konsumiert, hat aber schon heute einige Alternativen, um das frühe Töten zu verhindern. Das Prinzip ist bei allen gleich: Der Eier-Preis beinhaltet einen Aufschlag, mit dem die teure Mast der Legehennen-Brüder quersubventioniert wird. Durch Zuschuss aus dem Eier-Verkauf bleibt das Fleisch der Hähne bezahlbar. Einige Initiativen, die bundesweit oder in weiten Teilen Deutschlands aktiv sind, stellen wir nachfolgend vor. Darüber hinaus gibt es weitere regionale Initiativen. Wir bitten um Verständnis, dass wir keinen abschließenden Überblick geben können.
- Die Geflügelhalter der "Bruderhahn Initiative Deutschland" (BID) sind Demeter- und Biolandbetriebe. Die Bruderhähne werden nach Richtlinien aufgezogen, die in Teilen über die Anforderungen von Demeter und Bioland hinausgehen. Die Eier kommen aus sieben Bundesländern zwischen Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg und zwischen NRW und Sachsen. Auf der BID-Internetseite gibt es eine Liste mit den Verkaufsstellen.
- Die "basic Bruderherz-Initiative" zieht die Bruderhähne nach Bioland-Richtlinien mit auf. Die Eier sind bundesweit in allen Basic-Biomärkten erhältlich.
- Eier der Initiative "haehnlein" sind bundesweit in den denn's Biomärkten, den Alnatura-, Real- und in den Globus-Märkten zu kaufen. Auch die Märkte von Edeka Nord und Ost sowie die Citti-Filialen in Schleswig-Holstein bieten "haehnlein"-Eier an. Händler in Ihrer Nähe finden Sie hier. Bei der Initiative werden die Bruderhähne unter ökologischen Bedingungen – mindestens nach den Anforderungen der EG-Öko-Verordnung – mit aufgezogen. Die Eier kommen aus Mecklenburg-Vorpommern.
- Des Weiteren findet man in Alnatura-Märkten Eier der "Bruderküken-Initiative". Für alle Eier der Marke Alnatura gilt: Die männlichen Geschwisterküken werden mit aufgezogen.
- Die SuperBioMärkte bieten in ihren Läden Eier der "Initiative Bruder-Ei" an. Die Eier stammen von einem Bioland- oder Naturlandhof aus der Region des SuperBioMarktes. Der Mehrerlös der Bruder-Eier von 4 Cent pro Ei fließt direkt in Aufzuchtsprojekte der Initiative Bruder-Ei.
- Das erste Pilotprojekt im konventionellen Bereich wurde 2016 von der Rewe-Gruppe initiiert: "Spitz & Bube". Dort werden sowohl den Legehennen die Schnäbel nicht gekürzt (daher der Name: Spitz), als auch die männlichen Küken mit aufgezogen. Die Legehennen leben in Freilandhaltung und sie erhalten wie ihre Brüder gentechnikfreie Futtermittel. Ihre Brüder werden nicht unter ökologischen Bedingungen aufgezogen, sondern konventionell, jedoch mit mehr Platz im Stall. Sie werden rund 80 Tage lang gemästet. Angesichts des großen Erfolgs wurde das Projekt auf weitere Haltungsformen ausgeweitet: "Spitz und Bube"-Eier aus ökologischer Haltung gibt es in einigen ausgewählten Märkten und die "Spitz & Bube"-Eier aus Bodenhaltung in allen Rewe-Märkten deutschlandweit.
- Als erster Discounter hat Penny mit seiner Eiermarke "Herzbube" eine Alternative zum Kükentöten angeboten. Die männlichen Küken werden mit aufgezogen und es wird auch auf das Kürzen der Schnäbel der Legehennen verzichtet. Alle Herzbube-Eier stammen aus Bodenhaltung und sind deutschlandweit erhältlich.
- Auch Aldi Nord und Aldi Süd bieten mit "Henne & Hahn!" Eier aus Bodenhaltung an, deren Brüder mit aufgezogen werden. Die Brüderhähne bekommen genau wie ihre Schwestern gentechnikfreies Futter und Beschäftigungsmaterial wie z.B. Picksteine und Heuballen. Die Schnäbel der Brüderhähne sind wie die der Legehennen nicht gekürzt. Die Aufzucht der Hähne dauert rund 12 bis 16 Wochen. Diese Eier kann man in ausgewählten Filialen in NRW, Hessen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, dem Saarland und im Norden Bayerns kaufen.
Das Zweinutzungshuhn
Ein anderer Ansatz ist die Haltung von so genannten Zweinutzungsrassen. Die männlichen Hühner werden gemästet und die Hennen legen Eier. Weder im Fleischansatz noch in der Legeleistung erzielen sie Höchstleistungen – in der Regel liefern sie ein Drittel weniger Eier und Fleisch. Doch dafür dürfen beide Geschlechter leben.
Einzelne kleinere Initiativen sind uns aus Süddeutschland und der Region Berlin bekannt. So arbeitet das Projekt "ei care" seit 2011 mit Hühnern der Rasse "Les Bleues". Auf "Naturland"-Biohöfen in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern legen die Hennen Eier und die Hähne werden aufgezogen. Eier und Fleisch werden in Bioläden in Berlin und den benachbarten Bundesländern verkauft. Aus NRW ist uns nur ein einzelnes, kleines Angebot bekannt. Weitere Adressen von Landwirten, die Zweitnutzungshühner halten, finden Sie auf der Internetseite der Initiative Zweitnutzungshuhn.
Insbesondere in der Biobranche wird die Idee des Zweinutzungshuhns intensiv verfolgt. So hat sich die Ökologische Tierzucht gGmbH zur Aufgabe gemacht, geeignete Zweinutzungshühner für Biobetriebe zu züchten. Die Züchtung hat schon so große Fortschritte gemacht, dass die Tiere bereits von einigen Biobetrieb gehalten werden. So können Eier mit dem ÖTZ-Siegel in den Basic-Biosupermärkten gekauft werden. Wunsch der Ökologischen Tierzucht ist es, in Zukunft vorrangig ein echtes Zweinutzungshuhn auf den Biohöfen zu sehen.
Gerichte erlaubten das Töten weiterhin
Bereits 2013 hatte der Landwirtschaftsminister NRW einen Erlass mit Bezug auf das Tierschutzgesetz (TierSchG) ausgegeben, der den Brütereien das Töten der Eintagsküken in NRW verbieten sollte. Am 20. Mai 2016 hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster in einem Grundsatzurteil diesen Erlass gekippt.
Das OVG entschied, dass das Töten der männlichen Eintagsküken direkt nach dem Schlupf nicht gegen das Tierschutzgesetz verstoße. Das Tierschutzgesetz erlaube das Töten von Tieren, wenn dafür ein vernünftiger Grund vorliege. Das Gericht befand, ein vernünftiger Grund liege vor, da die Aufzucht der männlichen Küken mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden sei. In der Urteilsbegründung heißt es: Die Tötung der Küken sei "daher Teil der Verfahren zur Versorgung der Bevölkerung mit Eiern und Fleisch".
Da eine Revision gegen dieses Urteil nicht zugelassen wurde, haben die Kreise Gütersloh und Paderborn auf Veranlassung des NRW-Umweltministeriums im August 2016 Beschwerde eingelegt. Im Januar 2017 wurde bekannt, dass das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig die Revision zugelassen hat. Die Verhandlung hat am 16. Mai 2019 stattgefunden. Das Urteil wurde am 13. Juni verkündet und erlaubt das weitere Töten von Eintagsküken vorübergehend. "Da voraussichtlich in Kürze Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Ei zur Verfügung stehen werden, beruht eine Fortsetzung der bisherigen Praxis bis dahin auf einem vernünftigen Grund", erklärte das Gericht. Hier lesen Sie die Pressemitteilung dazu.
Geschlecht soll schon im Ei bestimmt werden
Das Bundeslandwirtschaftsministerium finanziert die Entwicklung von Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Ei. Damit soll zukünftig das Ausbrüten und Schlüpfen männlicher Küken verhindert werden.
Zurzeit werden zwei unterschiedliche Verfahren gefördert:
- Beim endokrinologischen Verfahren werden die Eier etwa neun Tage lang bebrütet. Dann wird von jedem Ei etwas Flüssigkeit gewonnen, ohne dass das Ei-Innere berührt wird. An diesen Proben wird das Geschlecht mit einem biotechnologischen Nachweisverfahren innerhalb kurzer Zeit bestimmt.
- Beim spektroskopischen Verfahren werden die Eier etwa vier Tage lang bebrütet. Dann wird ein spezieller Lichtstrahl in das Ei-Innere geschickt. Das Geschlecht wird durch eine Analyse des reflektierten Lichts bestimmt.
Ziel beider Verfahren ist es, Bruteier mit männlichen Embryos bereits vor dem Schlüpfen auszusortieren und zu vernichten. Tierschützer halten den Hoffnungen, dadurch Tierleid zu vermeiden, entgegen, dass es sich auch bei den Embryos um Lebewesen handelt. Schmerzempfinden entwickelt sich bei Hühnern nach derzeitiger Forschung wohl ab dem 7. Bruttag. Werden Eier – wie bei der endokrinologischen Geschlechtsbestimmung im Ei – erst nach dem 7. Tag vernichtet, bleibt es also eine umstrittene Frage, ob dies ein ethisch akzeptabler Weg ist, das Problem der "überflüssigen" männlichen Legerassen-Küken zu lösen.